Traditionen pflegen oder alte Zöpfe abschneiden?
Jeder Mensch pflegt bestimmte Traditionen, die er von seinen Eltern, Großeltern oder der Gemeinschaft, in der er lebt, übernommen hat: an Ostern Eier verstecken, die Kerwa feiern oder den Weihnachtsbaum schmücken.
Die Kirchweih ist in vielen Orten eine jahrhundertealte Tradition, die sich aber immer wieder verändert hat: Meine Oma hat für die Kirchweih noch Küchle gebacken und nach dem Kirchweihgottesdienst alle Verwandten eingeladen und die Dorfjugend hat an der Kerwa den Betzn rausgetanzt. Heute treffen sich die Leute zum Essen und Trinken auf der Kirchweih und die Kinder fahren Karussell und Jugendliche hängen beim Autoscooter rum.
Das zeigt: unsere Traditionen verändern sich. Gerade in den letzten 100 Jahren hat sich das Leben viel mehr verändert als in all den Jahrhunderten davor. Manche Traditionen haben sich überlebt und sind verschwunden. Andere leben in veränderter Form weiter. Auch im kirchlichen Leben, das ja reich ist an Traditionen, hat sich vieles verändert in den letzten 100 Jahren: vieles, was früher eine festgefügte Tradition im Dorf war, wie der Kirchenbesuch oder die Konfirmation ist heute eine freiwillige Sache.
„Tradition pflegen heißt nicht, die Asche bewahren, sondern das Feuer weiterzugeben.“ heißt es in einem Zitat, das auf den französischen Reformpolitiker Jean Jaurès zurückgeht. Das bedeutet, dass wir das, was die Tradition ausmacht, weitertragen sollen und nicht auf Kleinigkeiten und Äußerlichkeiten schauen. So finde ich es schön, wenn sich Jugendliche konfirmieren lassen: unbequeme schwarze Schuhe oder Krawatten sind dabei wirklich kein Muss.
Jesus hat gewusst, dass sich im Laufe der Zeit vieles verändert, nicht nur Traditionen. Auch große Reiche und Imperien sind untergegangen und bis zum Ende der Welt wird sich nochmals vieles verändern. Er hat vorausgesagt: Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen. (Lukas 21,33) Wir hätten es oft gerne anders! Was uns hier auf Erden wertvoll und wichtig ist, das soll doch bitte bleiben, doch ist die Vergänglichkeit an allen Ecken und Enden zu greifen: der geliebte Mensch ist verstorben oder man ist zu gebrechlich, um überhaupt noch vor die Tür zu gehen, geschweige denn auf die Kerwa. Vergeht am Ende also doch alles? Die Menschen genauso wie die Traditionen, die wir schätzen.
War es das? Nein! Jesus sagt: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“ Es gibt also etwas, dass der Vergänglichkeit nicht unterliegt, das überdauert, das über allem steht: die Worte Jesu.
Diese Hoffnung möchten wir in der Kirchengemeinde weitergeben an die künftigen Generationen, ob nun alte oder neue Lieder gesungen werden, die Leute in Jeans oder im Dirndl in die Kirche gehen, das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass wir wissen, wir sind immer bei Gott geborgen, selbst wenn Himmel und Erde vergeht.
Ihre Monika Bogendörfer